Im Umgang miteinander und mit Situationen unterschätzen wir häufig, wie wirkungsvoll es sein kann, gegenseitig die Erwartungen zu klären. Dies wirkt sich nicht nur auf Ergebnisse, sondern auch unsere Beziehungen sehr positive aus. Darüber hinaus können durch ein frühzeitiges Ansprechen später viel Kopfzerbrechen oder gar Konflikte vermieden werden. Hier finden Sie ein paar konkrete Hinweise zum Vorgehen.
Weshalb also zögern wir oft, gegenseitig und offen auszutauschen, was wir voneinander erwarten? Zweifelsohne ist diese Art von Gespräch nicht immer einfach. Hier geht es nicht nur um Dinge oder Sachaspekte. Hier geht es um individuelle Ansichten und Erfahrungen, um die Bedeutung, die wir einer Situation oder Person zumessen. Kurzum: es geht letztlich darum, durch expliziten Austausch auch Persönliches auszudrücken und die richtigen Worte zu finden, damit wir auch verstanden werden. Das mag jetzt etwas kompliziert klingen, und ja – es ist tatsächlich nicht selbstverständlich, dass wir uns gegenseitig verstehen. Eine gemeinsame Wirklichkeit muss geschaffen werden. Rheinhard Sprenger hat es in einem seiner Referate sehr trefflich zitiert: «Am Anfang kam das Wort. Gleich darauf kam das Missverständnis.» Damit meint er, so wie der Mensch eben gestrickt ist, sei es realistischer vom Missverstehen als vom Verstehen auszugehen. So gesehen ist die Welt ist kein Uni-Versum, sondern ein Multi-Versum.
Durch Erwartungsklärung können wir nicht nur unsere berufliche Umgebung positiv beeinflussen. Sehr wohl können wir dadurch auch im privaten Kontext viel Wünschenswertes bewirken und unsere Beziehungen massgeblich verbessern. Denken Sie beispielsweise an Ihren Partner oder Ihre Partnerin. Wie viele Enttäuschungen oder Spannungen haben ihren Ursprung in unklaren oder unausgesprochenen Annahmen in Bezug auf Rollen oder Verantwortlichkeiten. Für Sie mag etwas selbstverständlich sein, nur weil Sie es schon immer so gemacht haben. Die Vorstellung, dass jemand es anders sehen könnte, kommt Ihnen gar nicht erst in den Sinn. Deshalb scheint es Ihnen auch nicht wichtig, dies anzusprechen. Der springende Punkt ist: die andere Person mag ihre Sicht- oder Handlungsweise ebenso für gang und gäbe halten und hinterfragt sie keineswegs. Auf diese – meist unbewusste und ungewollte Art – geraten Menschen aneinander, verletzen die Gefühle der andern oder es kommt gar zu Konflikten.
Besser als Gedanken lesen: Bedarf erkennen und sich explizit ausdrücken
Es mag für Ihre Beziehungen im beruflichen wie auch im privaten Kontext sehr wirksam sein, wenn Sie im Austausch mit Kollegen, Freundinnen, Ihrem Team, Ihrer Vorgesetzten oder Ihrer Familie die folgenden Aspekte bewusst berücksichtigen:
- Erkennen Sie in einer Situation die Notwendigkeit – oft ist dies auch ein Bauchgefühl – gegenseitig offen auszusprechen, was Sie voneinander erwarten.
- Führen Sie dieses Gespräch ganz zu Beginn Ihrer Begegnung, Ihres Projektes oder Ihres Vorhabens, als erster Schritt auf dem zu beschreitenden Weg. Starten Sie erst nach dieser Klärung mit dem eigentlichen Tun.
- Erwartungsklärung ist von Natur aus immer eine Zweiweg-Kommunikation. Es erfordert die Möglichkeit, Sichtweisen auszutauschen, Unterschiedliches zu erkennen, zu verhandeln, einen realistisch gangbaren Weg zu skizzieren und aufeinander zuzugehen.
- «Wissen sie, was genau ich von Ihnen erwarte?» Gehen Sie am besten nie davon aus, dass andere einfach so wissen können, was Sie annehmen oder antizipieren. Andere können Ihre Gedanken nicht lesen, unabhängig davon, wie lange oder wie gut sie sich angeblich schon kennen. Gehen Sie besser in einen Dialog und hören Sie einander zu, bis Sie an einen gemeinsamen Punkt kommen.
- Die Frage “Wissen sie, was ich von ihnen erwarte?” kann auf Ergebnisse, aber auch auf Haltungen, Verhaltensweisen oder kritische Erfolgsfaktoren beziehen.
- Erst wenn die Erwartungen geklärt sind, kann man anschliessend auch etwas einfordern und Verantwortung erwarten respektive selbst übernehmen.
Meiner Erfahrung nach hat eine explizite Erwartungsklärung einen massgeblichen Effekt auf die Qualität Ihrer Beziehungen und das Erreichen der angestrebten Ziele. Insbesondere lassen sich damit unerwünschte Konflikte vermeiden, oder vielmehr, sie tauchen gar nicht erst auf!